StefanL, 22.03.04, 17:08
gilt in der Kriegstheorie seit über 200 Jahren als wichtiger Zug, Märtyrer schaffen dagegen war noch selten eine wahnsinnig gute Idee. Ob den Anführern der Insrigen unten im heiligen Land alle Verästelungen des Konsequenzenbaumes bis in 37. Glied hier und heute ganz klar sind, bezweifelt der durchschnittlich gebildete goim hier in Middeleuropa instinktiv erst mal.
So ich und auch unser Guido Tiefenthaler in seiner Haupstory im ORF.at - Bericht über die gezielte Tötung von Sheikh Yassin. Gleichzeitig bescheinigt er Israels Regierung 2 Kalküle (korrekt mit Vermutungsvorbehalt), die sich hauptsächlich auf die massenpsychologische Entwicklung der Palästinenser in Gazastreifen und Westbank richten. (damit die dort begreifen, daß sie ohne Pfaffen nix können und dass Sharon sich noch nie nicht gefürchtet und irgendein Schwanzerl eingezogen hat und sicher den Rückzug nur aus reiner Vernunft und Menschenliebe plant).
Der letzte Irakkrieg hat sehr schön gezeigt, daß politische Akteure bei der Rechtfertigung von Feldzügen fast immer mehr Kalküle beachten, z.B. auch
a) ein leider überwiegend hinter verschlossenen Türen besprochenes Kalkül auf die psychologische Entwicklung der eigenen Bevökerung und
b) ein gar nicht besprochenes Kalkül auf die psychologische Entwicklung der beschließenden Ingruppe.
Ganz schwer, und auch das hat der o.e. Feldzug gezeigt ist das Kalkül über die Reaktionen der anderen Eliten:
Unsere Benita z.B. verurteilt die Tötung natürlich offiziell, obwohl sie privat sicher nix dagegen hat, weil sie wiederum ein Kalkül über die anderen EUianer pflegt.
Die schöne Condoleeza dagegen stellt sich, wie nicht anders zu erwarten, "hinter" bzw. "vor" die Regierung Scharon, beeilt sich aber, zu behaupten, sie (und natürlich auch jeder andere Ami) hätte nix gewusst, obwohl ihr wohl nicht nur die Hamas, sondern auch von den anderen kaum einer glauben wird. Weiss sie selber eh, aber die Einhaltung der Form zählt halt auch. Befürwortung oder Kenntnis einer Tötung ohne Gerichtsurteil des zuständigen Souveräns tätete nicht nur den Euros wieder Vorwand liefern für die schönsten Amerikafeindlichkeiten, sondern auch den unverdrossen demokratisch denkenden Eliten zuhause für schwerste Legitimationszweifel an der Regierung Bush ordentlich Material an die Hand geben. Unbrauchbar in Wahlkampfzeiten.
Laut Debkafile sind die Amis mit den disengagement-Plänen und der Kommunikationsführung der Regierung Sharon nicht gerade zufrieden (We don’t know what Israel wants. We are confused. Weisglass (Sharon’s aide) and Eiland (head of Israel’s national security council in the prime minister’s office) speak in two languages.).
Diese ultrariskante taktische Antwort von Ariel und Co. auf eine verfahrene Situation kann auf mehr als eine Art nach hinten losgehen. Wenn die palästinensische Uneinigkeit nicht, wie in der Vergangenheit fast immer, obsiegt und entweder ein paar aus der Arafatriege oder ein paar aus der Hamasriege oder sonstwer die Situation nutzen kann und die anderen derhebt, wird es bald für die IDF noch viel anstrengender als es schon ist und noch mehr als heute wird praktisch jede/r Israeli mit ca. 23 die Schnauze von eigentlich allem vollhaben.
Wenn die Regierung Bush abtritt, kann es auch gut sein, daß neben dem Engländer und dem Spanier auch der Ami vom nahen und mittleren Osten die Schnauze ausreichend voll hat für ein viel leichter zu machendes disengagement. Ganz besonders, wo im fernen Osten das Wirtschaftswachstum besser ist, die diversen Turkvölker auch noch das eine oder andere Ölfeld besitzen und der Japse langsam aber sicher schon echt sparsame Autos, Traktoren und Dieselgeneratoren baut.
Wo und wann will Sharon in diesem Poker also sehen? Jetzt schon? Mit wem von Hamas will er ins Spiel kommen? Will er, wie einer sagt, nur die Alten und sich selber wegräumen. Letzte Heldentat? Dass er mit Arafat nicht reden will, wissen wir schon lange. Glaubt er eine geschwächte Hamas kann die Palästinenser trotzdem einigen und einen Frieden (Waffenstillstand) wollen? Hat er die Ärzte und Apotheker zu den Nebenwirkungen befragt? Was sagen ihm die? Fragen über Fragen.
Also mir fallt nur eins ein: Der nächsten Regierung Israels viel mehr die Daumen halten, als ich es seinerzeit beim patscherten Barak gemacht hab. Denn die Freundschaft eines Teils der Polen allein wird nicht reichen und war früher schon nicht ganz unzweifelhafter Natur.
PS: Sullivan ist leider auf Urlaub, sonst hätte ich den Anlass gerne benutzt, ihn in die Pfanne zu hauen.
plink, 3 comments, praise or blame!
StefanL, 26.03.03, 21:23
Nach Erteilung des Mandats stellte Frankreich Faisal ein Ultimatum und marschierte postwendend in Damaskus ein.
Großbritannien versucht von seinem Ruf bei den Arabern zu retten, was zu retten war. Nachdem bei der Verkündung des Mandats auch im britischen Mandatsgebiet ein Aufstand erfolgt und von britischen Truppen mit großen Verlusten auf beiden Seiten niedergeschlagen worden war, berief Kolonialminister Churchill eine Konferenz nach Kairo ein, die Faisal Mitte 1921 zum König des Irak machte.
Zuvor war sein jüngerer Bruder Abdallah schon zum Emir von Transjordanien befördert worden. Eine verfassungsgebende Versammlung durfte den Irak 1924 prinzipiell zu einem souveränen Staat mit erblicher Monarchie erklären.
Bis 1930 war ein Vertrag verhandelt, der Großbritannien auf allen wirtschaftlichen und finanziellen Gebieten bevorzugte und dafür 1932 die Unabhängigkeit gewährt und der Irak in den Völkerbund aufgenommen. 1925 wurde die erste Ölkonzession an eine britische Gesellschaft erteilt. 1927 stellten sich diese Ölquellen als sehr ergiebig heraus. 1932 und 1938 wurden weitere Konzessionen erteilt und machten neben dem britischen Profit den Irak zum reichsten Land dieses Weltstrichs.
Großbritannien gewährte zudem unter diesen Umständen weiter großzügig militärische und wirtschaftliche Hilfe. Sein Einfluß nahm jedoch nach Ausbruch des 2. WK rapide ab und ein Staatsstreich brachte die deutschfreundliche Regierung Ali al-Gailanis an die Macht. Noch hatte das UK die Ressourcen und besetzte das Land wieder.
Der Irak erklärte den Achsenmächten den Krieg und unterzeichnet 1945 die Charta der vereinten Nationen.
Das Sykes-Picot-Abkommen zur Aufteilung des osmanischen Reiches unter v.a. Frankreich, Großbritannien und dem Russischen Reich gelangte meines Wissens nur an die Öffentlichkeit, weil es von den Bolschewiki aus propagandistischen Gründen bei gleichzeitigem Verzicht auf die russischen Anteile publiziert wurde.
plink, nix, praise or blame!
StefanL, 25.03.03, 21:57
Der Sherif Husain war seit 1908 Emir von Mekka und verbrachte die meiste Zeit in Istanbul.
Während des 1. WK übten sich Großbritannien und Frankreich in widersprüchlicher Geheimdiplomatie (Korrespondenz McMahon - Husain, Sykes-Picot Abkommen, Balfour-Deklaration) und versprachen verschiedenen arabischen Gruppen und den Juden widersprüchliche Dinge. Am 7. November 1918 stellten sie in der "anglo-französischen" Erklärung fest, dass es das Ziel beider Mächte sei, "die vollständige und endgültige Befreiung der Völker zu erreichen, die so lange Zeit von den Türken unterdrückt worden sind, und ihnen die Einsetzung nationaler Regierungen und Verwaltungen zu ermöglichen, die ihre Autorität von der Initiative und freien Wahl der einheimischen Bevölkerung herleiten."
Die Araber unternahmen unter der Führung von Husains Sohn Faisal den Versuch, die arabische Unabhängigkeit vor die Pariser Friedenskonferenz zu bringen, wurden aber nur durch Präsident Wilson unterstützt. Der Völkerbund entsandte die King-Crane Kommission in die betroffenen Gebiete. Weder Großbritannien noch Frankreich nahmen den Bericht dieser Kommission jemals zur Kenntnis.
Faisal kehrte nach Damaskus zurück. Eine dortige Nationalversammlung bemühte sich, eine unabhängige konstitutionelle Monarchie zu errichten und beschloss für die sich abzeichnende Lösung durch Mandatsgebiet des Völkerbundes, in keinem Fall Frankreich, sondern nur entweder Großbritannien, besser noch die USA als Mandatsmacht zu akzeptieren.
Frankreich bekam im Juni 1920 vom Völkerbund das Mandat für Syrien und den Libanon, Großbritannien das Mandat für den Irak und Palästina zugesprochen. Großbritannien zog seine Truppen aus Syrien ab und ermöglichte Frankreich so den Einmarsch und die Vertreibung Faisals.
Indessen wurde der Hedschas ein unabhängiges Königreich unter Faisals Vater Husain und stellte den Anspruch auf das Kalifat. Dies wiederum lieferte Abdal'aziz Al Saud, dem Beherrscher des Nedschd, den Vorwand, Husain mit dem Vorwurf der Häresie anzugreifen. Da dieser in der Zwischenzeit auch die Unterstützung der Großbritanniens verloren hatte, wurde er 1924 angesichts der Truppen Sauds gezwungen, abzudanken. Abdal'aziz Al Saud wurde nun König des Hedschas und des Nedschd und wandelte dieses Gebilde 1932 in das Saudi-Arabische Königreich um.
To be continued
plink, 2 comments, praise or blame!
StefanL, 05.03.03, 11:01
Also, das Zitat mit Brockhaus und daß wir in eine große Revolution (Computer) erleben, ist von einem, von dem man in der Folge, glaube ich, nicht mehr viel zum Thema gehört hat:
Bruno Kreisky, bei einer dem Vernehmen nach halbspontanen Rede anläßlich seiner Wahl zum Parteivorsitzenden der SPÖ 1967. Mich hat das sehr erstaunt, weil ich ihn mit dieser Thematik gar nie in Verbindung gebracht hätte.
Es tut mir leid, weil das Ding zu schwer und zu wenig motivierend war. Verspreche, beim nächsten Rätsel mehr über machbare Lösungswege nachzudenken.
Ich denke immer noch über die amerikanische Massenpsychologie nach und mache Vergleiche mit den USA vor, im und nach dem 2. WK. Aufwändige Sache. Aber da kommt schon was raus.
plink, 5 comments, praise or blame!
StefanL, 24.11.02, 20:00
Ernst Strasser: Danke an alle, die geholfen haben, diesen folgenlosen (sic!) Wahlgang durchzuführen.
Hat das wer aufgenommen. Bitte zusenden!
I'll be out now, no envy for writing any more!
plink, 2 comments, praise or blame!