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StefanL, 08.07.21, 06:58
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Abschließbar | Nicht Abschließbar | |
Rivalität im Konsum | Private Güter Speisen, Kleidung, Spielzeuge,Autos |
Allmende Güter Fische, Wild, Wasser, Gemeinschaftsweide |
Nichtrivalität im Konsum | Vereinsgüter Pay-TV, Vereinssport |
Öffentliche Güter Landesverteidigung, frei empfangbarer Rundfunk, Luft |
Ultimativ ist natürlich fast jedes Gut mit militärischen und technologischen Mitteln abschließbar und wird nahezu jedes Gut ab einer gewissen Menge an willigen Verbrauchern einer Kompetition unterworfen, und sei es nur durch die Ressourcen-Allokation für die Produktion.
Bevor preiswerte Rechner (Mikrochip-Preise <10$ oder so) existierten, die ein beim Sender verschlüsseltes Rundfunksignal beim Empfänger preiswert entschlüsseln konnten, war also der Rundfunk (im eigentlichen Sinn von durch den "Äther") im Gegensatz zum Telefon und allen kabelgebundenen Telekommunikationen fundamental ein öffentliches Gut, was auch in den entsprechenden amerikanischen Gesetzen gut nachvollziehbar ist. Dass dabei die Herstellung und Verteilung an privatrechtliche Gesellschaften und Individuen delegiert war, tut dem keinen Abbruch.
Die Telefonie war in Europa von bald nach ihrem Beginn an lange ein öffentlich kontrolliertes Gut und zwar aufgrund einer Tradition, die ein Fermmeldemonopol des Staates als unverzichtbar ansah. Fundamental ist sie das dagegen nie gewesen, weil sie - zumindest in ihrer klassischen Form - keine der beiden Bedingungen für ein öffentliches Gut nach der obigen Definition erfüllt: Der Zugang zum Netz war von Anfang an leicht abschließbar und gewisse Aspekte von Non-Rivalität gewinnt sie erst mit den modernsten Infrastrukturtechnologien und den neuesten Innovationen, wie z.B. Glasfaserkabeln bis an die Ecke und enormen Überfluss generierenden Modulations- und Multiplexing-Methoden. In Wien können sich mittlerweile ältere Leute noch gut an die Konkurrenz um die "Zeitscheiben" eines Viertel-Telefons erinnern.
Umgekehrt bedeutet, dass etwas fundamental ein "öffentliches Gut" ist, nicht automatisch, dass es auch in der Verfügungsgewalt der "Öffentlichkeit" ist. Ob also ein öffentliches Gut öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich betrieben und kontrolliert wird, ist tatsächlich immer eine politische Entscheidung des hoheitlichen Gemeinwesens, im dem es sich befindet. Die fundamentalen Grundlagen beeinflussen diese Entscheidung natürlich, determinieren tun sie sie aber nicht.
Die British Broadcasting Company Ltd. wurde im Oktober 1922 in London von britischen und amerikanischen Elektrogeräteherstellern zur gemeinsamen Absatzsteigerung von Rundfunkgeräten durch ein regelmäßiges Programmangebot gegründet. Und zwar als Kapitalgesellschaft mit einer Starteinlage von £60.006,00. Die Konsortialpartner in der AG waren Marconi’s Wireless Telegraph Company, die Vickers Electrical Company, die Radio Communication Company, The British Thomson-Houston Company, The General Electric Company undThe Western Electric Company. Am 1. November 1922 erhielt das Unternehmen vom Postmaster General die Sendelizenz.
In Europa, selbst in Großbritannien, war, wie es scheint, die konsumorientierte Marktwirtschaft in der Zwischenkriegszeit (1919 - 1939) nicht weit genug vorangeschritten, um die Erstellung und Verbreitung dieses öffentlichen Gutes allein mit dem Verkauf der Empfangsgeräte und der Annahme und Ausstrahlung von regelbeschränkter Werbung ausreichend zu finanzieren. Im Laufe der 20er-Jahre wurde dieser Umstand im UK mehr und mehr deutlich. Das britische Parlament sah außerdem keine Veranlassung, die staatlichen Gebühren auch für die "passive" Nutzung einer öffentlichen Ressource (Äther, elektromagnetische Frequenzbänder) aufzuheben. Staatliche Funktionäre wie der Postmaster General, am besten aus dem Stand der Peers, wurden für am geeignetsten angesehen, dieses öffentliche Gut zu verwalten und zu kontrollieren.
Letztendlich reichte der Verkauf von Radiogeräten nicht aus, Betrieb und Ausbau der Infrastruktur sowie die Produktion eines attraktiven Programms zu finanzieren. Konsequenterweise wurde 1926/7 im Vereinigten Königreich durch die Umwandlung der privatrechtlichen British Broadcasting Company Ltd. in die Britisch Broadcast Corporation, die erste und beispielgebende Öffentlich-Rechtliche Rundfunkorganisation (Public Service Broadcasting) geschaffen.
Die neue BBC erhielt eine königliche Charta, die die BBC demonstrativ der Kontrolle durch die wechselnden Regierungen und ihrer Parlamentsmehrheiten entziehen sollte und dies zum Teil real tat und manchmal half, zu verbergen, dass dieses Ziel nicht immer wirklich erreicht wurde. Eine spezifische europäische Problemstellung in der Balance zwischen privat und öffentlich war damit vorläufig gelöst. Das Modell sollte nach dem 2. Weltkrieg, nicht zuletzt durch Zwang der Sieger und v.a. in den Verliererländern, viele rechte und schlechte Nachahmer finden. In den Staaten des Warschauer Paktes dagegen war öffentlicher Rundfunk stets dem Parteiinteresse und der Parteisteuerung unterworfen und, wo es überhaupt so etwas wie eine andere Regelung gab, diese eine Art Farce, was hauptsächlich daran lag, wer die Organe der Rundfunkgesellschaft ernannte.
In den Vereinigten Staaten von Amerika stellten sich die gleichen Fragen in Bezug auf den Rundfunk. Dort waren nach dem 1. Weltkrieg durch die Marktgröße und den Entwicklungsstand der Wirtschaft andere Voraussetzungen für das "free to air"-Radio bereits gegeben. Zudem sahen das zuständige Department der Regierung (commerce) und der Kongress keinen Anlass, den Bürgern für die rein passive Nutzung des Wellenspektrums eine Gebühr abzuverlangen.
Die unterschiedlichen Umstände führten zu teils ähnlichen, teils sehr verschiedenen Antworten der amerikanischen Politik, die das vereinigte Königreich viel später teilweise, erst nach dem WKII, der Wiedereinführung des Fernsehens und der Übernahme amerikanischer Produkt- und Vertriebsstragien, mit der Einführung des dualen Rundfunksystems nachvollzog.
In den 20er-Jahren traute jedenfalls das amerikanische Parlament gestandenen Individualkapitalisten (Entrepeneurs) mehr moralische Festigkeit, Selbstlosigkeit und Eignung zur Organisation der Nutzung der hoheitlichen Ressource "Äther" zu als quasi-staatlichen Funktionären oder Adeligen, die ja schon während der Amerkikanischen Revolution alle Titel verloren hatten. Es begnügte sich mit einer Aufsichtsbehörde und entsprechenden Gesetzen zur Wahrung des öffentlichen Interesses und sah von Beginn an keinen Grund, diesen Lizenzinhabern Werbung zu untersagen und versah diese deswegen nur mit gesetzlichen ethischen Regeln.
In Österreich fand die Entwicklung des Rundfunks wie in vielen anderen Ländern des Kontinents mit vielen Aufs und Abs und sehr durchmischt statt. Schon 1921 wurde eine Lizenz für einen kommerziellen drahtlosen Auslandstelegraphendienst erteilt. 1922 reichten ein Einzelunternehmer, eine Gruppe "Wiener Telefonfabriken" und eine weitere Unternehmensgruppe um den Industriellen Schrack Konzessionsgesuche für einen Unterhaltungsrundfunk ein. Nachdem noch weitere Lizenzwerber Konzepte vorgelegt hatten, darunter auch ein Gruppe um die "Österreichische Marconi AG", die schon seit 1921 die Lizenz für den Auslandfunkverkehr besaß und Telefunken, schleppten sich die Verhandlung noch bis 1924 hin.
Letztlich waren es die guten Beziehungen zum mächtigen christlich-sozialen Politiker Rintelen und halbstaatlichen Banken, die den Ausschlag gaben, dass die Lizenz an eine Aktiengesellschaft mit einem Kapital von 4 Milliarden Kronen, die Radio Verkehrs-AG (RAVAG) erteilt wurde. Deren Aktionäre waren das Oesterreichische Creditinstitut für öffentliche Unternehmungen und Arbeiten, die Steierbank AG, die Oesterreichische Anzeigengesellschaft AG, die Österreichische Telefonfabriks AG, vormals Berliner, Ericsson, Kapsch & Söhne, Leopolder und Sohn, aber auch die Gewista (Gemeinde Wien) und das Handelsministerium (Republik Österreich) bekannt sind. Das erfolgreichste Produkt der RAVAG war vor und nach dem 2. Weltkrieg "Radio Wien". Soll man das aus heutiger Sicht eine "Private-Public Partnership" nennen? Jedenfalls entwickelte sich der Hörrundfunk in Österreich in der Folge lange von der Staatsverbundenheit hin zur mehr Staatsnähe und letztlich zum Staatsrundfunk. (Besetzung von Führungsposten im Sinn der Vaterländischen Front, Verstaatlichung und Eingliederung in den Reichsrundfunk durch das Nazi-Regime)
Ab 1945 war natürlich alles anders. Die amerikanische Besatzungsmacht gründete gleich den Sender "Radio Rot-Weiß-Rot", die britische Armee das "Blue Danube Network" und die "Sendergruppe Alpenland". Zuletzt kam noch die französische Militärverwaltung mit der "Sendergruppe West" dazu. Die Sowjetunion versuchte, die RAVAG und Radio Wien, manchmal mit mehr, manchmal mit weniger Erfolg zu kontrollieren.
1955 war "Österreich frei". Die aufgezählten Rundfunkgesellschaften, einschließlich "Radio Wien", waren schon vorher von den "powers that went" an die Republik Österreich übergegeben worden, die sie rasch in einer Verwaltungsbehörde, dem "Österreichischen Rundspruchwesen", zusammenfasste. 1958 entstand daraus wiederum die "Österreichischer Rundfunk" - Ges.m.b.H. 1967 bekam diese Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach einem zeitungsgesteuerten Volksbegehren per Rundfunkgesetz 1967 "öffentlich-rechtliche" Struktur- und Programmvorschriften, blieb jedoch immer noch im Staatseigentum. Der Rundfunk blieb hierzulande also mehr oder minder trotz des bis heute regelmäßig abgefeierten "Rundfunkbegehrens" bis 1974 unter direkter eigentumsbasierter Staatskontrolle, auch wenn diese während der letzten 7 Jahre durch das erwähnte Gesetz gemildert und beschränkt war.
Erst die Regierung Kreisky folgte 1974 formal dem britischen Vorbild, als der ORF per Rundfunkgesetz 1974 mit dem die privatrechtliche Verfasstheit des ORF, dessen Aufsichtsrat von der Regierung besetzt wurde, beendet und der ORF in eine "Anstalt" öffentlichen Rechts umgewandelt wurde. Parallel dazu wurde die Unabhängigkeit des Rundfunks in Österreich nicht mehr nur durch wenige sehr abstrakte Sätze im Rundfunkgesetz, sondern auch durch ein entsprechendes neues Verfassungsgesetz abgesichert. Das ORF-Gesetz der schwarzblauen Regierung Schüssel von 2001 wandelte den ORF von einer Anstalt in eine Stiftung öffentlichen Rechts um, die Besetzung des Stiftungsrats wurde neuen, angeblich entpolitisierenden Regeln unterworfen, die Periode verlängert und aus den Intendanten wurden Direktoren.
Natürlich kam bei beiden Gelegenheiten und kommt bis heute auch der eine oder andere Kontrolltrick - recht konzentriert in den Besetzungsregeln des (früher) Kuratoriums und (heute) Stiftungsrats - zur Anwendung. Der verfassungsgesicherten Unabhängigkeit zum Trotz bestimmt in Österreich fast immer letztlich der Bundeskanzler den GI/GD des ORF und damit die Personalhoheit ebendort. In 3 bekannten Fällen hat der österreichische Bundeskanzler (je 1 mal Kreisky, Vranitzky, Schüssel) bei dieser Bestellung nicht gut aufgepasst: 1978 und 1989 wurde Gerd Bacher gegen den Willen des Bundeskanzlers zum GI und 2006 Alexander Wrabetz gegen den Willen des Bundeskanzlers zum GD gewählt.
So weit zu den historischen Anfängen. Andere Länder und Lösungen und die feinen Unterschiede zwischen Lizenz, Charta und Auftrag werden wir vielleicht ein andermal betrachten.
PS: Das klassische öffentliche Gut ist die Landesverteidigung. Insoferne der internationale Sport mit Nationalmannschaften irgendwie zur Landesverteidigung gehört, was dieses Land mit der Verpflichtung vieler Sportler/innen beim Bundesheer verstanden hat und bei einer Regierungsbildung der letzten Jahre kurzfristig auch nachvollzogen hat (Sport im Verteidigungsministerium in der Bundesregierung Faymann I), und nur das free-to-air Fernsehen massenwirksamen Profisport für alle Bürger verfügbar macht, gehören Spiele mit Nationalmannschaften zum öffentlichen Gut. Solche mit Individuen und Klubmannschaften, die sich im Privatbesitz befinden, nicht. Unter Umständen gehören sie zu den Vereinsgütern. Sogar das ist heutzutage strittig.