Presse- und Literaturschau: Vergnügen am Samstag

Samstags lehne ich mich gerne nach dem Frühstückskaffee zurück, nehme ein heisses Bad (im Winter) und faulenze. Am Nachmittag fahre oder spaziere ich gerne in die Stadt und nehme einen servierten Kaffee. Ich bringe ein Buch mit und bekomme zusätzlich zum Preis eines kleinen Braunen und einer wunderbaren Mandeltorte Druckschriften geborgt, so viel, dass ich mir nur das Interessanteste herauspicken kann. Ein zusätzlicher Vorteil ist, dass ich all dieses Papier nicht selbst wieder entsorgen muss.

Leider ist der Samstag meist der einzige Tag in der Woche, wo ich, was ich sehr gerne tue, altmodische Papiermedien ausgiebig geniessen kann. Heute ist Sonntag und darum möchte ich die lieben TinyTalk - Leser, wenn sie wollen, ein wenig an meinen gestrigen Vergnügungen teilnehmen lassen.

Fotomagazin: März 2006, Fotowettbewerb

Von all den verschiedenen Segelbooten, die ich bisher in meinem Leben steuern durfte, war mir dieses bisher das liebste, der 30er Schärenkreuzer.

Die Fotographie stammt von einem Berliner Fotographen namens Gregor Hohenberg und ist Teil der Arbeit „Stille am See“, „Achtung“ Nr. 5. Er gewann damit bei den LeadAwards 2006 den 3. Preis in der Kategorie " Mood- und Modefotografie".

Seine restlichen Bilder verlinke ich hier nicht, weil sie allesamt somehow artsy-fartsy sind.



Falter: Kein Kaiser war mächtiger Robert Misik interviewt Jean Ziegler

Aus diesem Interview nun zwei Zitate mit "Thinkfood".

Als Che Guevara zur Zuckerhandelskonferenz nach Genf kam, haben die Kubaner mich und ein paar andere gefragt, ob wir ihnen helfen - sie hatten ja keine Botschaft, nichts. Sie hatten drei Hotelzimmer für zehn Leute gemietet. Ich besaß einen kleinen Morris und wurde der Chauffeur von Che. Am letzten Abend habe ich zu ihm gesagt: "Commandante, ich möchte mit euch gehen." (Zwischenfrage: Er war bestimmt begeistert?) Che, der ja etwas Rigides, Kaltes hatte, blickte aus dem Fenster auf die nächtliche Skyline von Genf und antwortete: "Schau, das ist das Hirn der Bestie, hier musst Du kämpfen." Dann drehte er sich um und ging. Ich war zutiefst verletzt. Ich dachte, der hält mich jetzt für einen verklemmten helvetischen Kleinbürger. Aber natürlich hatte er recht. Fragt sich nur womit er recht hatte, mit der "Bestie, die ein Hirn hat", mit der "Verklemmumg helvetischer Kleinbürger" oder mit dem "Hier, wor man angeblich kämpfen muss"? Die implizite guevarische Teleportation aus dem Auto zum Umdrehen und Gehen innerhalb eines Blicks, Gedankens und kurzen Satzes ist aber auch wirklich eine beindruckende Magie. Ich persönlich habe Che Guevara übrigens immer als abgelehnt. Wegen seines Stalinismus.

Auf dem Markt in Dakar im Senegal können Sie europäisches Gemüse aus Frankreich, Portugal oder Spanien zu einem Drittel des einheimischen Preises kaufen. Die senegalesischen Bauern rackern sich 16 Stunden unter brennender Sonne ab. Auf dem Markt endeckten sie dann das Dumpinggemüse der EU.

Leider, wie fast alles aus dem Falter, ist das Interview nicht online. Dank an Armin Thurnher, dass ich aus der Zeitschrift abtippen üben durfte!

Das Interview erscheint anlässlich eines Vortrags und Gesprächs mit Jean Ziegler. "Das tägliche Massaker des Hungers - wo ist Hoffnung?". Moderation: Peter Huemer. 23. März, 19 Uhr, Bildungszentrum der AK Wien, Theresianumsgasse 16-18. Wenn unsere kleine Gruppe nicht in Jerusalem wäre, würde ich da hingehen.



Weltwoche: Denken bis es wehtut Ein Bericht über Alain Finkielkraut

Das ist nun kein Interview, das Interessante sind trotzdem die Originalzitate in direkter und indirekter Rede.

Als Daniel Cohn-Bendit 1968 aus Frankreich ausgewiesen wurde, zogen die Studenten mit dem Schlachtruf: «Wir sind alle deutsche Juden!» durch die Strassen. «Wir waren zuallererst», so Finkielkraut im Rückblick auf seine Erfahrungen im bewegten Mai, «eine Generation des politischen Spektakels... Die Rolle des Gerechten wurde zugänglich für die breite Masse.» Finkielkraut realisierte, wie sehr er dieses Spektakel genoss. Er brachte die Qualifikation für die Paraderolle mit: «Ich habe so häufig den Juden gegeben, so viel Vergnügen daraus bezogen, meine Herkunft auszubreiten und mich bewundern zu lassen, dass ich irgendwann dieser Selbstdarstellung gegenüber skeptisch geworden bin.» Es komme für ihn nicht in Frage, seine jüdische Herkunft zu verleugnen, sagt Finkielkraut, aber er sei zur Überzeugung gelangt, dass sie ihm nicht die moralische Auszeichnung des Opferstatus verleihe: Im Gegensatz zu seinen Eltern sei er nie Opfer gewesen. Das Judentum präge ihn vielmehr als «Identitätsdefizit», als unheilbarer Bruch mit der Kultur und der Überlieferungsgeschichte, der er eigentlich entstamme.

Hier gibt es den ganzen Bericht in der Online-Weltwoche. Es lohnt sich, das durchzulesen.

Krone, Presse: Die Arbeiter-Bank, der Flöttl-Wolfi und die Meinl-Bank

Ann Eisenhower and Wolfgang Flöttl 2003Dr. Wailand kommentiert im Wirtschaftsmagazin der Kronenzeitung vom Samstag (leider auch nur gedruckt) den Bawag-Skandal eigentlich recht freundlich (gemäß der Historie des Blattes nur fair) und erinnert dabei en passant und passenderweise an Wolfgang Flöttl ("Faktum ist, dass die BAWAG, entgegen allen offizellen Beteuerungen, auch nach der (sehr gewinnbringenden) ersten Phase der Karibik-Geschäfte mit Flöttl jun. weitere spekulative Deals mit ihm gemacht hat."). Derweilen interessiert die entrepreneur-verliebte Presse in ihrem Wirtschaftsteil (mit dem doch sehr modernen Titel Business) eine viel schönere Geschichte, in welcher der Wolfi F. auch eine bessere Rolle spielt: Der einsame Kampf des Julius V.", schildert dessen Weg vom Gourmet-Meinl zum Investment-Meinl und zum Immo-Delphin, wo dann halt auch die viel schönere Rolle, die Julius' in der USA geschlossene Freundschaft mit dem Wolfgang, vorkommt.

Julius V"Doch dann kam es zu einer erstaunlichen Allianz - ausgerechnet mit der roten Gewerkschaftsbank Bawag. "Sie hat uns bei Emissionen immer wieder unterstützt", erzählt Meinl. Wohl aus privaten Gründen: Bawag-Chef war damals Walter Flöttl. Und Meinl hatte sich in den USA mit Sohn Wolfgang Flöttl befreundet."

Das waren jetzt 2 komplizierte Sätze und ein Zitat, aber diese Geschäfte und Zusammenhänge sind nun mal auch kompliziert und bemühte Vereinfachungen nutzen dir halt nicht viel. Schwamm drüber. In den Presseartikeln "Muss ÖGB die Bawag verkaufen?" und "Rückzug aus PIPE-Finanzierung" vom Samstag kommt Flöttl jr. dann übrigens nicht vor. Wir gratulieren. Das nennen wir "eine Geschichte nicht zu Tode recherchieren.

Martin van Creveld: Fighting Power. German and U.S. Army Performance 1939-1945, Westport 1982 (Deutsch - Kampfkraft. Militärische Organisation und Leistung 1939-1945, Graz 2005)

Der israelische Historiker van Creveld1 bringt in dieser sehr guten Analyse interessante Zitate aus der Heeresvorschrift "Truppenführung" der Wehrmacht von 1936 und der Felddienstvorschrift "FM 100-5" der US-Army von 1941. Ich bringe hier natürlich mediengemäß noch weniger Ausschnitte als Creveld in seinem 216 Seiten langen Buch.

aus "Truppenführung" (Wehrmacht, 3 Jahre vor dem 2. Weltkrieg) 1. Die Kriegsführung ist eine Kunst, eine auf wissenschaftlicher Grundlage beruhende freie, schöpferische Tätigkeit.
.... 15. Vom jüngsten Soldaten aufwärts muß überall selbsttätiges Einsetzen der ganzen seelischen, geistigen und körperlichen Kraft gefordert werden. Nur so wird die volle Leistungsfähigkeit der Truppe in übereinstimmendem Handeln zur Geltung gebracht. Nur dann erwachsen Männer, die auch in der Stunde der Gefahr Mut und Entschlußkraft bewahren und den schwächeren Kameraden zu kühner Tat fortreißen. So bleibt entschlossenes Handeln das erste Erfordernis im Kriege. Ein jeder, der höchste Führer wie der jüngste Soldat, muß sich stets bewußt sein, daß Unterlassen und Versäumnis ihn schwerer belastet als Fehlgreifen in der Wahl der Mittel.

aus der "Felddienstvorschrift" (US-Army, gerade nach Eintritt in den 2. Weltkrieg) .... 98. Der Mensch ist das wichtigste Instrument im Krieg, andere Instrumente können sich ändern, aber er bleibt relativ konstant. Wenn man sein Verhalten und seine elementaren Eigenschaften nicht versteht, sind grobe Fehler in der Operationsplanung und Truppenführung die Folgen. Bei der Ausbildung der Soldaten kommt es vor allem darauf an, den einzelnen in der Gruppe zu integrieren und für diese Gruppe einen hohen Maßstab militärischen Verhaltens und militärischer Leistung herzustellen, ohne die Initiative des einzelnen zu zerstören. .... 111. Die erste Forderung im Krieg ist entschlossenes Handeln. Die militärischen Führer flößen ihren Untergebenen durch ihr entschlossenes Verhalten und ihre Fähigkeit, materielle Vorteile über den Feind zu gewinnen, Vertrauen ein.

Das Aufschlussreiche an diesen Zeilen ist ihre den ideologischen Vorurteilen ganz entgegen gesetzte zwischen den Zeilen hörbare Haltung zum Verhältnis zwischen Individuum und Kollektiv. Während bei den Amis das Individuum Material für das übergeordnete Kollektiv ist, steht es bei den Deutschen an erster Stelle. Kommt wohl daher, dass bei den Preißen das Militär in der sozialen Hierarchie ganz oben, bei den Amis dagegen ganz unten war. Wirkte und wirkt sich aber aus. Nicht zum Vorteil der USofA.

Wer mich näher kennt, weiß, dass ich weder das Militär noch Führer besonders gut leiden kann. Ich nehme allerdings das, was diese Teile der Menschheit denken und tun, ernst. Im Guten und im Schlechten. Deswegen kann ich auch zumindest 5 kriegführende Kommandeure des 20. Jahrhunderts sehr respektieren: Lev D. Bronstein, Peng De Huai, George C. Marshall, Joseph W. Stilwell und David Ben-Gurion. Ich sage, respektieren, nicht bewundern.

Und das, obwohl alle von ihnen durchaus auch Grausamkeiten verübt oder befohlen haben. Wer das im Krieg nämlich nicht kann, der richtet sie dann anders herum an. Seihen wir froh, dass The Bomb und das TV in Westeuropa den Krieg unmöglich gemacht haben.

1Wikipedia quotes one of this man's comments: "...the Israeli army has not by any means been the worst of the lot. It has not done what for instance the Americans did in Vietnam ... it did not use napalm, it did not kill millions of people. So everything is relative, but by definition, to return to what I said earlier, if you are strong and you are fighting the weak, then anything you do is criminal."

 
last updated: 23.03.25, 07:18
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vous avez tout à fait raison, Mr. Tobi.
by MaryW (01.03.25, 08:34)
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La crisi consiste appunto nel fatto che il vecchio muore e il nuovo non può nascere: in questo interregno si verificano i fenomeni morbosi piú....
by tobi (28.02.25, 16:22)
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Haschimiten-Familie Vater:Husain ibn 'AliEmir von Mekka von 1908 - 1916König des Hedschas von 1916 - 1924 Sohn Faisal:Verhandlungsführer der "Araber" in Paris König des Irak von 1921....
by StefanL (19.01.25, 06:26)
Ich habe eh
einen Esseh über den Kulturpessimismus, der ja grundlegend mehr reaktionär als konservativ ist, in Arbeit. Wird aber noch dauern.
by StefanL (10.01.25, 23:50)
Jaaa!
Ich geb ja gerne zu, dass der Neid aus mir spricht. ;-)
by StefanL (10.01.25, 23:46)
...
Aha soso ein Professor h.k. (honore kurza).
by tobi (10.01.25, 23:30)
I totally agree
mit der Meinung, dass das Hemisphärenmodell überholt ist. Die mediale Lust am Untergang hat eine rational kalkulierendes Element auf der einen Seite und massenpsychologische Element, dass....
by StefanL (10.01.25, 20:15)
Woher kommt diese Lust am Untergang?
Friedrich Sieburg kommentierte »die Tendenz der Medien, unentwegt den Weltuntergang durch einen Atomkrieg vorauszusagen als weinerliche, kaum zu ertragende Geschwätzigkeit. Sie sei auch deswegen absurd,....
by tobi (10.01.25, 19:18)
Read the books,
watched the series for a while. Got distracted then. Did NOT buy the T-Shirt. Interesting problem. Thanks! Slice, slice, very slice. Thank you for not killing....
by StefanL (06.01.25, 11:39)
...
Slice, slice, very nice.
by tobi (05.01.25, 23:31)
...
😻
by tobi (18.12.24, 12:27)
We could just barely
keep the censor's office and the press team of the president-elect from intervention but here are our apologies and our thanks for these valuable hints....
by MaryW (17.12.24, 23:37)
...
The (correct) first name of Mr. Zelenskyj is the Ukrainian Володи́мир, not (of all things) the Russian Влади́мир 😿 Second name is Oleksandrovych. Ложка дьогтю у бочці....
by tobi (16.12.24, 19:15)
Du hast recht,
Universal-Genies brauchen wir echt keine mehr. Ich wollte eh nur sagen: Things are going to slide, slide in all directions. Won't be nothing, won't be nothing you....
by MaryW (31.10.24, 23:13)
...
Hm. Ich glaub, da gibt es schon noch einige Kandidat*innen. Mir fällt spontan Lisz Hirn ein. Ich fürchte nur, die schaffen es nicht mehr, so....
by tobi (03.10.24, 19:21)
Das sind
wirklich die allerletzten, diese Streberschweine. Aber sonst auch.
by StefanL (18.09.24, 08:42)
Es gibt sogar
Verbrecher, die das ganze WE zusätzlich durcharbeiten, um Pegelkarten zu bauen. Das sind dann die allerletzten.
by gHack (17.09.24, 18:56)
Geändert
Inzwischen hat Herr Fidler den Fehler erkannt und korrigiert sowie sich inzwischen bei den LeserInnen entschuldigt. Nur damit das nicht untergeht. Wir haben hier in der....
by StefanL (21.02.22, 09:17)
There has been evidence
that the important and successful ideas in MSFT - like licensing the Unix source code in the 70ies and learning from it and licensing QDOS....
by StefanL (02.01.22, 11:18)
Now
I think I maybe know what you meant. It is the present we know best and the future we invent. And history is mostly used....
by StefanL (02.01.22, 09:51)
???
Hey, it's just a phrase wishing to convey that you're always smarter after the event than before it.
by StefanL (28.12.21, 07:35)
Addendum
Oracle is now mentioned in the English Wikipedia article on teletext and even has its own article here. Electra has one too.
by MaryW (22.12.21, 07:11)
We have grossly erred
At least in point 5. We thought, people would have come to the conclusion that permanently listening to directive voices as an adult is so....
by MaryW (21.12.21, 07:42)
Did not want to spell the names out
Ingrid Thurnher should have been easy, as she is pictured in the article. Harald F. is an insider joke, the only media journalist in Austria,....
by StefanL (19.12.21, 08:45)
...
with four letters it becomes easier though i am not sure with hafi… anyhoo, inms guessing acronyms or whatever this is. *it’s not my steckenpferd
by tobi (24.11.21, 20:49)

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